Diarum Societatis Jesu ir lietuvių kalba Vilniuje (1710–1723) / Das Diarium Societatis Jezu und die litauische Sprache in Wilna (1710–1723)
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Antanas Rukša
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Published 2016-11-04
https://doi.org/10.15388/BiblLita.2016.1.15718
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Rukša, A. (2016) “Diarum Societatis Jesu ir lietuvių kalba Vilniuje (1710–1723) / Das Diarium Societatis Jezu und die litauische Sprache in Wilna (1710–1723)”, Bibliotheca Lituana, 1, pp. 113–138. doi:10.15388/BiblLita.2016.1.15718.

Abstract

In diesem Artikel habe ich mir die Aufgabe gestellt, eine bisher wissenschaftlich noch nicht erforschte Handschrift vom ersten Viertel des XVIII Jhrh. zu untersuchen und auf Grund der daraus herausgeholten Gegebenheiten etwas Licht in das Problem des damaligen Gebrauches der litauischen Sprache in der Stadt Wilna zu bringen.
Die Notizen des Diariums geben uns ein Bild des litauischen Sprachgebrauches in den Kirchen Wilnas. Der kirchliche Gebrauch des Litauischen entsprach jedoch nicht dem täglichen Sprachgebrauche.
Die Polen versuchten die Nichtüberreinstimmung des kirchlichen und täglichen Sprachgebrauches einfach zu leugnen, die Sprache der Quellen ist jedoch so überzeugend und eindeutig, dass in der letzten Zeit auch die ernsteren polnichen Forscher es annerkennen mussten, dass der kirchliche Sprachgebrauch des Litauischen bei weitem dem täglichen Sprachgebrauche nachstand.
Besonders klaren Ausdruck gibt der Feststellung dieser Tatsache der polnische Kulturhistoriker der Jesuitenpriester St. Bednarski, den ich als ersten Forscher und tiefdenkenden Wissenschaftler aus dem von ihm verfassten gründlichen Werke „Über den Verfall und die wiedergeburt der Jesuitenschulen in Polen“ kennengelert habe. Diesem Jesuitenpriester war die polonisatorische Tätigkeit der polnischen Kirche in Litauen vermutlich besser als keinem anderen bekannt, weil ihm bei der Sammlung des Materials für sein Werk ausser den leichter für andere Forscher zugänglichen Bibliotheken und Archiven, das Zentralarchiv des Jesuitenordens offen stand.
Über die Lage der katholischen Kirche in Litauen von der Einführung der katholischen Religion (1386) bis in das XVII Jhrh. hat er sich folgendermassen geäussert: „Das litauische Volk verstand nicht polnisch, man hat es aber litauisch oder ruthenisch lehren weder gewollt noch gekonnt“.
Darüber, dass die Katholische Kirche einer der Hauptfaktoren der Polonisation in Litauen auch in der Neuzeit war, berichtet uns die polnische Wissenschaftlerin Halina Turska in ihrem vor diesem Kriege verfassten und bis jetzt noch nicht zu Ende geführten Buche: „Über die Enstehung der polnisch sprechenden Gebiete im Lande Wilna“. „Sowohl in den litauisch sprechenden Gemeinden“, gibt diese Forscherin zu, „die an der Grenze des geschlossenen litauischen Sprachgebietes lagen, als auch in den Gemeinden der gimischten litauisch-weisruthenischen Sprache wurden die Predigten und der Zusatzgottesdienst regelmässig in polnischer Sprache gehalten... der Gottesdienst spielte hier eine Rolle der Unterrichtsstunden in polnischer Sprache“.
Auch der in Frage kommende Zeitabschnitt macht hinsichtlich des kirchlichen Sprachgebrauches keine Ausnahme. Einerseits hat sich zwar die von Bednarski geschilderte Lage einigermassen verbessert, weil die „Unkenntnis“ der litauishen Sprache durch die Priester sich während des siebenzehnten Jahrhunderts vermindert hatte, jedoch an „gutem Willen“ zum Predigen in litauischer Sprache hat auch damals gefehlt. Dies geht aus manchen Verordnungen des damaligen Bischofs Brzostowski über den obligatorischen Gebrauch der polnichen Sprache in den Kirchen hervor. Diese Tatsache wird abermals durch das Vorsingen der polnischen patriotischen Hymne „Gaude, Mater Poloniae“ in der litauischen Hauptstadt während der festlichen Prozession der kirchlichen Synode 1717 bestätigt.
Obgleich die Litauische Sprache der polonofilisch gesinnten Kirche in Litauen zuwider war, wurde es jedoch, wie aus dem Jesuitendiarium hervorgeht, in dem ersten Viertel des XVIII Jahrhunderts in manchen Kirchen Wilnas noch litauisch gepredigt.
Daraus ist zu ersehen, dass in der St. Johannkirche an Sonntagen und Festtagen in der litauischen und in der polnischen Sprache fast in gleichem Masse gepredigt wurde. An den höchsten Festen, wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten fanden am Tage zwei litauische und eine polnische Predigt statt. An anderen zwei Festen, am Palmsonntag und an dem Fronleichnamfest gab es am Tage wegen der spezifischen Art des Gottesdienstes nur eine Predigt, und die musste in litauischer Sprache gehalten werden.
Da begreiflicherweise die Verfasser des Jesuitendiariums nur die Vorgänge interessierte, die in irgendwelcher Beziehung mit dem Jesuitenkollegium standen, erfahren wir über die litauischen Pregigten in anderen Kirchen verhältnismässig wenig. Trotzdem wissen wir aus einigen zufälligen Notizen, dass damals auch in der St. Georg- und Franziskanerkirche litauisch gepredigt wurde. Diese Erwähungen sind um so wertvoller, da diese Tatsache bisher noch nicht bekannt war.
Ausserdem entnehmen wir dem Tagebuche ausser den zwei schon früher bekannten Namen der ständigen litauischen Prediger bei der St. Johannkirche auch die 26 Namen der bisher noch nicht bekannten litauischen Prediger, die diese, besonders an den Festtagen, zu, ersetzen pflegten. Unter denen fällt besonders der bekannte litauische Kirchenschriftsteller J. Pošakauskas, Professor an Wilnaer Akademie, auf.
Dass die litauischen Predigten aller dieser Predigen für das gemeine Volk bestimmt waren, bestätigt eine Notiz unseres Tagebuches: „Litauische Rede zum Volke („ad populum“) hat Pr. Wojciechowicz gehalten, polnisch sprach P. Barszcz“. Auch das Übergewicht der litauischen Predigten an allen grösseren Festen bekräftigt diese Tatsache, denn an den bezeichneten Festen versammelte sich massenschaft in die Kirchen Wilnas das gemeine Volk, das polnisch noch nicht genug verstand.
Nicht in allen Kirchen Wilnas wurde damals litauisch gepredigt. Jedoch die Abwesenheit der litauischen Predigten in manchen anderen Kirchen Wilnas gibt keinen Grund zur Feststellung, dass die Gläubigen der betreffenden Gemeinden mehr polnisch verstanden als die Gläubiden der Jesuitenkirchengemeinde, für die litauishe Predigten gehalten wurden. Denn es ist allgemein bekannt, dass der polonisatorische Geist unter den Jesuiten verhältnismässig spät eingezogen ist.
Aus der Tatsache, dass trotzdem das Polnische als offizielle damalige Staats- und Kirchensprache grosse Anziehunskraft in Litauen, besonders in der Hauptstadt Wilna erworben hat, in manchen Kirchen Wilnas noch litauisch gepredigt wurde und in der St. Johannskirche die litauischen Predigten sogar ein gewisses Übergewicht hatten, ergibt sich, dass für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung Wilnas, wenn nicht für die überwiegende Mehrheit, das Litauische mehr vertraut und verständlich war, als die von oben empfohlene und durch den geistigen Zwang eingebürgerte fremde polnische Sprache.

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