Friedrich Georg von Bunge: hochinteressanten Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts, die nicht in den engen Rahmen der spezialisierten Wissenschaften des 21. Jahrhunderts passt
Problems of Law
Peeter Järvelaid
Universität Tallinn
Published 2019-05-20
https://doi.org/10.15388/Teise.2019.111.15
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Keywords

Kodifizierung des Rechts
Privatrechts der Ostseeprovinzen
Rechtswissenschaft
Geschichtswissenschaft
Historischen Schule

How to Cite

Järvelaid, P. (2019) “Friedrich Georg von Bunge: hochinteressanten Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts, die nicht in den engen Rahmen der spezialisierten Wissenschaften des 21. Jahrhunderts passt”, Teisė, 111, pp. 246–270. doi:10.15388/Teise.2019.111.15.

Abstract

[full article, abstract in German]

Friedrich Georg von Bunges Lebens entwickelte sich dergestalt, dass er noch vor dem 30. Geburtstag für die II. Abteilung der Persönlichen Kanzlei Seiner Kaiserlichen Hoheit zu arbeiten begann und dies in den folgendenmehr als 30 Jahren fortsetzte (1831–1865). Bunge besaß zweifelsohne eine besondere Begabung für die Kodifizierung, denn als er zweimal die Chance hatte, Richter zu werden (anfangs am Hofgericht in Riga und 1865 am Obersten Gericht des Reichs in St. Petersburg, dem Senat), dann lehnte er beide Male ohne Nachdenken ab. Ihn interessierte stets die wissenschaftliche und Kodifizierungsarbeit mehr als die am Gericht oder in der Verwaltung oder selbst die pädagogische an der Universität.
Wenn bis jetzt Bunges Leben in der historischen Literatur in unterschiedliche Abschnitte aufgeteilt wurde (Professur an der Universität Tartu 1830–1842, Ratsherr in Tallinn 1843–1856, St. Petersburg 1856–1865, als er dort mit seiner Familie weilte), dann unterschätzt diese Einteilung grundlos die persönlichen Prioritäten seiner Tätigkeit und ermöglicht nicht, seine wirkliche Bedeutung bei den gesetzgeberischen Reformen des Russischen Imperiums des 19. Jahrhunderts zu erkennen. Um Bunges Anteil im größeren Zusammenhang zu verstehen, muss betont werden, dass er vierunddreißig Jahre seines Lebens mit der Kodifizierung des Rechts desRussischen Reichs verbunden war.
Wenn wir uns im Rahmen der Geschichte der Institutionen die Bedeutung der II. Abteilung der Persönlichen Kanzlei Seiner Kaiserlichen Hoheit verdeutlichen wollen, dann war Bunge einer jener besonders mit Estland verbundenen Juristen, dessen Tätigkeit zweifelsohne einen untrennbarenTeil der Aktivitäten der ganzen Abteilung bildete.
Wenn wir für das bessere Verständnis unserer Geschichte im bunten Muster des 19. Jahrhunderts bedeutende Wendepunkte und Durchbrüche finden möchten, dann können wir über das Leben Bunges sagen, dass er sich größtenteils Aufgaben widmete, die wenigstens einen wichtigen Bestandteil der Rechtsreformen des 19. Jahrhunderts umfassten, nämlich die Ordnung des Privatrechts der Ostseeprovinzen. Oder war sein Leben vielleicht sogar ein untrennbarer Teil jener Reformen?
Wenn wir das Leben und die Taten Friedrich Georg von Bunges erforschen, dann dürfen wir ihn keinesfalls in das Prokrustes-Bett der heutigen Wissenschaften zwängen. In diesem Fall untersuchen wir nicht die Geschichte (die Lebensgeschichte eines Mannes), sondern genießen es für unsere gegenwärtigen Fragen eine heutige Antwort in einem intellektuellen Spiel zu erhalten. Leider geht bei diesem Spiel das mögliche Subjekt der Untersuchung, in diesem Fall die historische Persönlichkeit Professor Friedrich Georg von Bunge, verloren. In den Augen junger Wissenschaftler mutiert Bunge auch zu einer rückständigen Person, die nichts verstand von der Fragestellung einer heutigen eng begrenzten Forschungsrichtung. Der junge Forscher versucht, eine neue Geschichte zu konstruieren, in der die zentrale Frage, eine konkrete historische Persönlichkeit, zu einem Mittelpunkt, einer Sonne der Juristen des 19. Jahrhunderts wird.
Geschichte kann von verschiedenen Fragestellungen ausgehend geschrieben werden und darin besteht ihr besonderer Charme. Doch muss betont werden, dass ungeachtet der Forschungsarbeit der Juristen eine Monografie über Bunge als intellektuelle und schöpferische Persönlichkeit, in der er selber im Mittelpunkt steht, noch ungeschrieben ist. Es bleibt zu hoffen, dass das unter der Ägide der Gelehrten Estnischen Gesellschaft in Tartu stattgefundene Seminar, auf dem Vertreter verschiedener Wissenschaften zusammentrafen, in der Zukunft dabei hilft, die Bunge-Forschung in den Rahmen unterschiedlicher Wissenschaften einzubetten und ein Bild zu erschaffen von einer hochinteressanten Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts, die irgendwie nicht in den engen Rahmen der spezialisierten Wissenschaften des 21. Jahrhunderts passt.

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